Julia Brunjes neuester Wangerooger Ostfrieslandkrimi ist da und wir haben eine kleine Leseprobe vorbereitet!
Ein toter Busfahrer auf Wangerooge mit einem schlimmen Geheimnis aus der Vergangenheit. Hatte dies mit seinem Tod zu tun? Hinweise sind schwer zu finden und dann wird auch noch eine Zeugin vor dem Haus von Kommissarin Mona Sanders niedergeschlagen. Viel Spaß mit unserer kleinen Leseprobe.
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Jule hatte das einzig Richtige getan und ruhig an Ort und Stelle ausgeharrt, bis Dr. Hofmeister da war. Nur ein paar Fotos hatte sie geschossen, bevor die Ärztin den Leichnam berührte, damit sie wussten, wie er gelegen hatte, als Jule ihn fand.
Nele fragte noch einmal, ob wirklich alles in Ordnung war. Man gewöhnte sich niemals an diesen Anblick.
Sie waren etwas abseits des Weges. Die Tote lag zwischen den hohen Dünengräsern, was Nele stutzen ließ. »Wie konntest du sie hier sehen?«
»Ihr Schmuck.« Jule nickte zu der liegenden Dunkelhaarigen im Sand. »Sie trägt goldenen Schmuck, der in der Sonne geglänzt und mich neugierig gemacht hat. Deswegen habe ich nachgesehen, statt weiterzufahren. Ich dachte zuerst, es wäre weggeworfener Müll, und wollte ihn einsammeln.«
Nele nickte verständnisvoll, stellte den Tatortkoffer, den sie immer mitnahmen, wenn es einen Einsatz gab, neben Jule auf den Weg und trat näher an den Fundort heran, um sich selbst ein Bild der Situation zu machen.
Dr. Hofmeister war bereits dabei, die Leiche zu untersuchen, und tastete ihren langen, schlanken Hals ab.
Nele unterbrach sie nicht, weil sie wusste, dass die Ärztin es hasste, wenn man sie währenddessen ansprach oder wild mutmaßte, ehe sie ein Ergebnis hatte.
Die Kommissarin blieb stumm und betrachtete diese schöne, aber tote Frau mit den beneidenswerten, wallenden schwarzen Haaren und großen braunen Rehaugen eine Weile. Sie musste ungefähr in Neles Alter, also Ende vierzig, sein, hatte sich aber deutlich mehr herausgeputzt als die Inselpolizistin.
Selbst wenn Nele abends noch mit ihrem Mann Peter wegging, würde sie sich niemals so dick schminken und diese Menge Schmuck am Leibe tragen. Überall glitzerte und glänzte es, an ihren Fingern, um den Hals und an den Ohrläppchen. Kein Wunder, dass Jule sie gleich gefunden hatte.
Das machte Nele aber auch nachdenklich. Sie ging zurück zu ihrer Tochter, die nur ein paar Meter entfernt stand und darauf achtete, dass niemand auf sie aufmerksam wurde und mehr sah, als er sehen sollte. Hier draußen war es immer etwas schwierig, einen Tatort abzusperren.
Dennoch griff Nele zum Absperrband und setzte es zumindest entlang des Weges, bis sie fertig waren. »Wenn du sie sofort finden konntest, wieso hat es dann niemand sonst getan und Meldung gemacht?«
Jule sah auf. »Weil ich schneller war? Das würde heißen, dass diese Frau noch nicht lang hier liegt. Fragt sich, ob sie auch hier gestorben ist. Ich konnte kein Blut sehen.«
»An ihrem Hals waren Male, ziemlich dunkle sogar, wie von Fingern«, erinnerte sich Nele. »Sie wurde wahrscheinlich erwürgt.«
»Mutmaße bloß nicht, bevor unser Doktor es nicht bestätigt hat. Sie wird sonst wieder grantig«, erwiderte Jule schmunzelnd. Ihre Gesichtsfarbe war inzwischen zurückgekehrt, aber sie wurde nach diesem kleinen Scherz sofort wieder ernst. »Hast du sie schon mal gesehen?«
»An so eine Dame von Welt würde ich mich erinnern. Sie sieht nicht aus wie eine typische Touristin. Das könnte unser Vorteil sein, weil sicher auch viele andere auf sie aufmerksam wurden und sie bestimmt einmal in der Gemeinde gesehen haben.«
Die Hibengas warteten geduldig, bis Dr. Hofmeister fertig war und von selbst auf sie zukam.
Ihre Inselärztin strich sich die Einweghandschuhe ab und steckte sie umgedreht in ihre Tasche, um sie später zu entsorgen. Nichts durfte hier draußen zurückbleiben. »Meine Damen«, sagte sie und nickte ihnen steif zu. »Sie dachten es sich sicher schon. Diese Frau wurde erwürgt, und das vor weniger als zwei Stunden. Sie haben hier also eine ganz frische Leiche.« Beinahe klang es, als hätte sie ihnen den nächsten Auftritt in einer Zirkusmanege angekündigt.
Viel Mitgefühl zeigte sie nicht, aber dann sah Nele manchmal dieses traurige Funkeln in Dr. Hofmeisters Augen, das ihr verriet, dass die Ärztin alles andere als kaltherzig war. Vielmehr zwang sie sich dazu, ihre Gefühle nicht nach außen zu kehren. Nicht jeder ging wie der andere mit den Todesfällen um. Manch einer setzte lieber eine Maske auf und verschloss sich, um diesen Anblick nicht zu sehr an sich heranzulassen und mit ins Privatleben zu nehmen.
Neles und Jules Weg war wiederum der Humor. Ein Späßchen hier, ein Witz da, ohne je den Fall auf die leichte Schulter zu nehmen oder das Opfer nicht zu respektieren. Humor half ihnen dabei, nicht den Verstand zu verlieren, bei all den Leichen, die sie in ihrem Berufsleben schon gesehen hatten. Und an jedem Opfer hingen ein tragisches Schicksal, eine Hintergrundgeschichte und trauernde Angehörige. Das durfte man dabei nie vergessen.
Nele wurde von Jules nächsten Worten aus ihren tristen Gedanken gerissen. Sie fokussierte sich sofort wieder auf das Geschehen vor ihrer Nase.
»Gab es einen Kampf? Hat sie sich verteidigt?«, fragte ihre Tochter.
»Zwei Fingernägel sind abgebrochen, was auf eine körperliche Auseinandersetzung hindeutet. Ich konnte diese nicht auf Anhieb finden, aber vielleicht liegen sie noch irgendwo im Sand oder unter ihrem Körper. Soll ich den Transport vorbereiten?« Sie sprach wieder einmal ohne Atempausen und so monoton, als hätte es keine Tote gegeben.
Weder Nele noch Jule wurden schlau aus ihr, aber die Kommissarin war sich sicher, dass unter dieser harten Schale ein weicher Kern steckte. Zumindest hatte Corinna Hofmeister sich für Wangerooge entschieden, statt auf dem Festland zu bleiben. Vielleicht suchte sie ja doch eines Tages Anschluss.
»Ein Transport zum Hafen wäre gut, wenn wir hier durch sind. Ich habe in Jever bereits Bescheid gegeben. Sie schicken die Spurensicherung aus Oldenburg«, erzählte Jule.
Dr. Hofmeister nickte. »Dann sage ich Uwe Beer, dass er mit seiner Elektrokarre kommen soll. Er wird den Leichnam dann zur Fähre bringen und sie den Kollegen übergeben.«
»Danke«, antwortete Nele. »Gab es irgendwelche Besonderheiten am Opfer? Kratzspuren, Tätowierungen oder alte, verheilte Verletzungen? Weitere Blessuren, außer denen am Hals?«
»Keine Verletzungen, die mir auf den ersten Blick aufgefallen wären, bis auf die markanten Male, die Sie eben erwähnt haben. Der Mörder hat fest zugedrückt, und zwar mit beiden Händen. Die Daumen muss er auf den Kehlkopf gelegt haben. Viel kleiner als diese Frau wird er nicht gewesen sein. Für Fingerabdrücke wird es wahrscheinlich nicht reichen, auch die Größe der Hände ist leider ein Rätsel, weil er mehrmals zugelangt haben muss und die Flecken nicht eindeutig genug für Abgleiche sind. Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass der Täter sehr kräftig war und ihr das Zungenbein gebrochen hat.«
»Wie steht es um ihre Identität?«, wollte Jule wissen. »Gab es ein Portemonnaie mit Ausweis bei ihr?« Sie sah bereits auf Dr. Hofmeisters Hände, doch bis auf ihren eigenen Koffer hielt sie nichts für sie bereit, auch keine Asservatentasche mit ersten Indizien.
»Ihre Handtasche liegt etwas abseits im Gras. Reingesehen habe ich nicht, weil das nicht meine Aufgabe ist.« Wieder der kleine Hinweis, wo sie ihre Grenze zog. Zudem siezte die Ärztin die zwei, wie sie es auch mit allen anderen auf Wangerooge tat. Eine richtige Nähe ließ sie nicht zu und schottete sich lieber ab. So war es gewesen, seit Nele sie kannte.
»Dann werden wir uns jetzt an die Arbeit machen und auf die Kollegen von der Spurensicherung warten«, sagte die Kommissarin und schenkte ihr ein Lächeln, auch wenn sie wusste, dass es nicht erwidert wurde.
Jule verzog ihre Miene, kaum dass die Ärztin außer Sichtweite war. »Sie hätte sich wenigstens zu einem freundlichen Gesicht durchringen können, findest du nicht?«
»Du meinst so eines wie bei dir gerade?«, neckte Nele sie und reichte Jule ein paar Latexhandschuhe aus dem Koffer.
»Ich meine ja nur … Diese Ärztin ist mir suspekt. Nie kommt sie aus sich heraus.«
Nele lachte leise. »Du machst dir um den falschen Menschen Gedanken, Julchen. Jetzt ist nur diese Frau hier wichtig. Was Doktor Hofmeister in der Freizeit tut oder ob sie Freunde hat, geht uns nichts an.«
Jule hatte ein Einsehen und kniete sich zu der Leiche ins Dünengras. Nele holte währenddessen die Handtasche, die sie ein paar Meter weiter entdeckte. Sie berührte sie erst, nachdem sie Fotos geschossen und sich Notizen gemacht hatte. Es handelte sich um eine kleine schwarze Tasche mit goldenen Knöpfen. Passend dazu trug die Tote eine schwarze Bluse und einen feinen hellen Plisseerock. Nur einer der Ballerinas steckte noch an ihrem rechten Fuß, der andere schien während des Überlebenskampfes verloren gegangen zu sein und lag etwas abseits ebenfalls im Sand.
»Im Umkreis gibt es zahlreiche platt gedrückte Gräser und Spuren, aber der Untergrund ist viel zu locker, um einen Abdruck zu nehmen oder zu erkennen. Schade«, sagte Jule und tastete nun ebenfalls den Hals des Opfers ab, wie es Dr. Hofmeister keine zehn Minuten zuvor bereits getan hatte. »Eine wirklich schöne Frau, nicht wahr? Ihr Teint war bestimmt einmal dunkler.« Bevor man ihr das Leben aus dem Körper gepresst hatte.
»Du sagst es. Sie ist etwas zu fein gekleidet für einen gewöhnlichen Besuch in den Dünen. Also, eine Wanderung hat sie bestimmt nicht gemacht.«
Jule nickte nachdenklich, als Nele mit der Tasche zurückkam. »Bestimmt wollte sie sich hier draußen mit einem Mann treffen. Deshalb hat sie sich so aufgebrezelt.«
»Ein Date, das schiefging?«
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Klappentext:
»Ich werde dir die Luft zum Singen nehmen, kleines Vögelchen!« Die Inselpolizistinnen Nele und Jule Hibenga sind entsetzt, als sie diese Botschaft im Hotelzimmer der ermordeten Opernsängerin Amelia da Costa vorfinden. Ist die Tote, die man in den Dünen von Wangerooge fand, vom Verfasser dieser Zeilen umgebracht worden?
In den Fokus der Ermittlerinnen gerät zu Beginn das engste Umfeld der Sängerin. Zunächst ihr Manager, seit einiger Zeit auch ihr Verlobter, mit dem sie sich aber kurz zuvor heftig gestritten hat. Dann gibt es noch zwei Klatschreporter, die ständig um sie herumscharwenzelten – und zu guter Letzt hatte sich auch noch ein glühender Fan Einblick in ihr Zimmer verschafft. Aber alle Verdachtsmomente ergeben noch keinen richtigen Beweis. Oder weiß etwa der geheimnisvolle »Dünenbarde«, der schon seit Wochen die Naturschutzgebiete von Wangerooge mit seinem grässlichen Gesang unsicher macht, mehr über die Tat? Die Ermittlungen sind noch im vollen Gange, da passiert ein zweiter Mord …
Der Ostfrieslandkrimi ist als E-Book bei den bekannten Anbietern erhältlich wie:
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Viel Freude beim Lesen wünscht
Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de