Die Leseprobe zu „Mord in Ostfriesland“!

Wir geben einen kleinen Einblick in „Mord in Ostfriesland“ mit dieser spannenden Leseprobe zu Sören Prescher’s neuen Ostfrieslandkrimi!

Eine idyllische Filmnacht wird durch den Tod von Handwerker Christian Brückner je unterbrochen. Hauptkommissar Henning Karloff muss nun alle Energie in die Lösung des Falles stecken. In dieser Leseprobe wird die Leiche des Opfers gefunden.

***

 

Sie ließen die Schlange der Anstehenden hinter sich und folgten dem Weg zu einer Ansammlung von Büschen und Sträuchern. Weitere Personen strömten auf diesen Punkt zu, an dem sich mittler­weile eine kleine Traube gebildet hatte. Worum oder weswegen sie dort standen, vermochte Henning zunächst nicht zu erkennen. Alles, was er sah, waren Schaulustige. Er kannte das von anderen Unglücksorten. Selbst ihr Verhalten stimmte über­ein: die neugierigen, fast schon voyeuristischen Blicke, das Mur­meln und Raunen, die Beharrlichkeit, mit der sie sich an diesem Fleck aufhielten und sich keinesfalls davon vertreiben lassen wollten. All das verstärkte Hennings ungutes Gefühl. Ohne es zu merken, ließ er Sabines Hand los und schob sich durch die hartnäckigen letzten Reihen.

Dann endlich sah er, was sie alle wie die Fliegen angezogen hatte: Zwischen den Büschen lag ein Mann Ende fünfzig mit blutverschmiertem hellblauem Langarmshirt. Um einen Betrun­ke­nen, der zufällig gestolpert und sich dabei die Nase aufgeschlagen hatte, konnte es sich nicht handeln. Dagegen sprach der längliche kleine Gegenstand, der aus dem Oberkörper des Mannes ragte. Es sah aus wie ein Messer oder Dolch.

Wie schwer der Grad der Verletzung war, vermochte Henning nicht einzuschätzen. Sein Gefühl sagte ihm, dass es schlecht um den Verwundeten stand. Die Atmung des Mannes war schwach, aber zumindest hob und senkte sich seine Brust. Das war in Anbetracht der Umstände vermutlich bereits eine gute Nachricht. Ein junger Mann von höchstens Mitte zwanzig mit schwarzen Locken saß hinter dem Verletzten und hatte dessen Oberkörper auf seine Oberschenkel abgelegt, damit diesem kein Blut in die Lunge laufen konnte. Der junge Mann war es auch, auf den Henning zusteuerte.

»Ist er bei Bewusstsein?«, erkundigte er sich.

Der Lockenkopf schüttelte den Kopf.

»Was ist passiert?«

»Ich weiß es nicht!«, sagte er mit beeindruckend ruhiger Stim­me. »Er war schon so, als ich ankam. Ich versuch ihm zu helfen.« In deutlich lauterem Tonfall rief er danach: »Wann kommt der Notarzt? Lange schafft er das nicht mehr!«

»Müsste gleich da sein«, antwortete eine kräftig gebaute junge Frau aus der Menge. Sie hatte lange rote Haare und klang deutlich nervöser als der Mann am Boden. Neben ihr hielt sich ein ähnlich alter Blondschopf das Smartphone ans Ohr und gab Details über den Gesundheitszustand des Verwundeten durch. Henning hoffte, dass er mit Leuten vom Rettungsdienst telefonierte und nicht dabei war, einen Live-Feed ins Internet zu senden. Bei anderen war er sich dessen noch weniger sicher. Mehrere Handykameras waren auf den Mann am Boden gerichtet und nahmen das Geschehen wahrscheinlich auf. Und es handelte sich keineswegs bloß um jüngere Leute, auch etliche Personen im mittleren und gesetzten Alter filmten lieber, anstatt zu helfen. Widerlich war so etwas, fand Henning. Trotzdem gab es im Moment wichtigere Dinge, als sich darüber aufzuregen.

»Geht bitte alle ein paar Schritte zurück«, wies er die Schau­lustigen an. »Und bildet eine Rettungsgasse, damit die Sanis durchkommen!«

Widerwillig kamen einige Anwesenden der Aufforderung nach. Bedauerlicherweise längst nicht alle.

»Nun macht schon, Leute«, ermahnte er sie daher eindringlich. »Das ist ein medizinischer Notfall! Oder wollt ihr, dass der Mann stirbt?«

Er machte einige verscheuchende Gesten, und endlich setzte sich ein Großteil der Menschen in Bewegung. Es war keine Sekunde zu früh, denn parallel dazu schwoll das Heulen der Sirene an und das charakteristische grellblaue Flackern zeigte sich. Der erste Einsatzwagen der in der Nähe befindlichen Witt­munder Rettungsstelle traf ein und rollte das letzte Stück in gemächlichem Tempo, um keinen der Open-Air-Besucher zu verletzen. Ein Unfall mit dem Einsatzwagen war so ziemlich das Letzte, was sie derzeit gebrauchen konnten.

Sekunden darauf hielt der Wagen und zwei Sanitäter in orangeroten Signaluniformen rannten auf sie zu. Wenig später eilten zwei weitere schnaufend zu ihnen. Vermutlich hatten sie den Weg von der Einsatzzentrale am anderen Ende des Schloss­parks bis hier zu Fuß zurückgelegt. Inzwischen traf auch das Fahrzeug mit dem Notarzt ein. Gemeinsam kümmerten sie sich um den Verletzten und taten alles Menschenmögliche, um ihn am Leben zu erhalten.

Henning selbst konnte ihnen dabei nicht viel behilflich sein. Seine Arbeit begann leider erst dann, wenn die der Mediziner endgültig abgeschlossen war. Er schaute sich suchend nach seiner Frau um und entdeckte sie abseits vom Geschehen in einem Pulk anderer Leute stehen. Ihr bestürzter Blick war auf die Sanitäter und die am Boden liegende Gestalt gerichtet. Henning ging zu Sabine und schloss sie fest in die Arme. Von dem wundervollen Abend, über den sie gerade noch gesprochen hatten, war nichts mehr übrig. Jegliches fröhliche oder romantische Gefühl in ihm war verblasst.

»Bist du in Ordnung?«, erkundigte er sich überflüssigerweise. Dabei wusste er genauso gut wie sie, dass nichts in Ordnung war. Nicht mehr.

»Was ist mit ihm?«, fragte Sabine, den Blick nach wie vor auf den Verwundeten gerichtet. »Wird er durchkommen?«

»Die Sanis tun für ihn alles, was sie können.«

»Hoffentlich reicht das.«

Das hoffte er ebenso, sprach es jedoch nicht laut aus. Im Kopf ging er bereits die nächsten Schritte durch. Unabhängig davon, wie die Situation für den Mann ausging, lag ein tätlicher Angriff auf eine Person vor, der von den Strafverfolgungsbehörden unter­sucht werden musste. Alles sprach dafür, dass dies ein Tatort war, der als solcher behandelt werden musste. Es galt, mögliche Spu­ren zu sichern und etwaige Zeugen zu befragen. Zu Letzterem konnten Sabine und er ebenso zählen. Hatten sie etwas von den Ereignissen in diesem Teil des Schlossparks mitbekommen? Henning kramte in seinem Gedächtnis nach möglichen Einzel­heiten und fand … nichts.

Gar nichts.

Soweit er sich erinnerte, hatte er im Vorfeld überhaupt nichts mitbekommen. Auf die Geschehnisse aufmerksam geworden war er erst, als vor wenigen Minuten mehrere Menschen in diese Richtung aufgebrochen waren. Die Überlegung wurmte ihn. Was für ein Polizist war er, wenn direkt neben ihm ein Verbrechen verübt wurde und er nichts davon mitbekam? Im besten Fall war es peinlich, wahrscheinlich aber eher ein Zeichen von Unfähig­keit.

»Ist dir was aufgefallen, als du vorhin auf dem Klo warst?«, erkundigte er sich mit leiser Stimme bei seiner Frau.

Sie schwieg einige Sekunden, ehe sie antwortete. »Überhaupt nicht. Dort war alles in Ordnung. Oder hatte wenigstens den Anschein. Meinst du, es ist bei den Toiletten passiert und er hat sich dann mit dem Messer in der Brust hierhergeschleppt?«

»Unwahrscheinlich.« Henning suchte mit Blicken für alle Fälle den Weg von den Toiletten hierher ab. Inzwischen hatte die Fins­ternis massiv zugenommen und die aufgestellten Laternen spen­de­ten nur unzureichend Helligkeit für eine gründliche Überprü­fung des Wiesenbodens. Zusätzlich erschwert wurde das Ganze durch Dutzende Schuhpaare, die unbewusst alles unter ihren Sohlen platttrampelten.

In dem Moment nahm er einige Meter entfernt in der Menge ein weiteres Mal eine deutliche Unruhe wahr. Die Schaulustigen um sie herum wichen zur Seite, um so den Weg für drei Personen in dunklen Polizeiuniformen freizumachen. Henning erkannte die zwei Männer und eine Frau wieder, ebenso wie sie ihn. Kein Wunder, sie sahen sich beinahe täglich und auch vor wenigen Stunden hatte er zwei von ihnen in der Gemeinschaftsküche getroffen. Wie erwartet, kamen die Kollegen sofort auf ihn zu. Er nickte zum Gruß und fasste die Situation mit wenigen Worten im polizeiinternen Jargon zusammen. Sowie sie im Bilde waren, gingen die Uniformierten zu den Medizinern. Henning folgte ihnen. Er ging direkt hinter ihnen und kam doch zu spät.

»Zeitpunkt des Todes: 22:09 Uhr«, sagte der Notarzt in dem Moment. Hennings Nackenhaare stellten sich auf. Gerade eben hatte sich der tätliche Angriff in eine Mordermittlung verwandelt.

 

 

Klappentext:


»War der Film so schlecht, dass sich die Leute deswegen gegenseitig umbringen?« Hauptkommissar Henning Karloff genießt mit seiner Frau die Open-Air-Filmnacht im Wittmunder Schlosspark, als eine plötzliche Unruhe die Sommeridylle zerstört. Zwischen den Büschen wird ein Mann entdeckt – niedergestochen, jede Hilfe kommt zu spät. Bei dem Toten handelt es sich um den Handwerker Christian Brückner. Karloff und seine Kollegin Maren Hansen nehmen die Zeugen des Abends ins Visier. Was weiß der einst gefeierte Schauspieler, der das Opfer gefunden hat? Und warum liefert ein Podcaster zwar wichtiges Tonmaterial, lässt aber einen brisanten Teil weg? Die Ermittlungen in Brückners Umfeld ergeben, dass er entspannt und lebensfroh war – bis er sich plötzlich verfolgt fühlte. Offenbar hatte jemand Grund dazu, ihn zum Schweigen zu bringen …

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Eine Übersicht über die Reihenfolge der Bücher finden Sie hier.

Mehr über die Kommissare Karloff & Hansen können Sie im Steckbrief erfahren!

Viel Freude beim Lesen wünscht

Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de