Julia Brunjes dritter Band aus der Reihe „Die INSEL Wache“ bekommt bei uns mit dieser Leseprobe einen kleinen Einblick spendiert!
Der dritte Band der „INSEL Wache“ Reihe verspricht wieder jede Menge Nervenkitzel, überraschende Wendungen und eine ordentliche Portion norddeutscher Humor. Passend dazu gibt es hier eine Leseprobe für den kleinen Einblick in die Geschichte. Viel Freude beim Lesen!
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Annika brach mitten im Satz ab, als sie den Mann mit der blutigen Kopfwunde einen Augenblick vor ihrem Kollegen und dem wütenden Ex-Fahrradbesitzer bemerkte. Er kam direkt auf sie zu, sein Haar glänzte feucht, die Augen waren weit aufgerissen, und er taumelte mehr als er ging den von Gras gesäumten Fußweg zwischen den abgestellten Campingwagen entlang. Dabei presste er sich beide Hände gegen die Stirn, von wo aus ein blutiges Rinnsal quer über sein Gesicht lief.
»Einen Augenblick bitte.« Annika schob ihren Notizblock zurück in die Hosentasche, ließ die beiden Männer stehen und lief rasch auf den Fremden zu, der nach vorn auf die Knie fiel, noch bevor sie ihn erreicht hatte.
»Helfen Sie ihr.« Die tiefe Stimme klang zittrig und sein ganzer Körper bebte, als er nun mit dem ausgestreckten Arm in die Richtung deutete, aus der er soeben gekommen war. »Der Frau im Wohnwagen, dort! Sie braucht dringend Hilfe.«
Annika überkam ein Gefühl, als ob jemand soeben einen Kübel Eiswasser über ihr ausgeleert hatte.
»Nick?« Ihr lautes Rufen war überflüssig gewesen, denn schon stand der Kommissar an ihrer Seite und half dem Mann wieder auf die wackligen Beine.
»Von was für einer Frau reden Sie da?«, wollte Annika wissen und sah sich suchend um. »Wo ist sie? Ich kann niemanden entdecken, der Hilfe zu brauchen scheint.«
»Sie liegt im Wohnwagen.« Erneut zeigte er auf die nicht gerade kleine Ansammlung von Campinganhängern, die hinter ihm in Reih und Glied im niedrigen Gras standen. »Helfen Sie ihr!«
»Welcher ist es denn?« Hilflos sah Annika ihren Kollegen an, doch auch Straten zuckte nur ratlos mit den Schultern, reckte den Hals und spähte in die angegebene Richtung. Vergeblich.
Annika atmete tief durch und strich sich die vorwitzige blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Wind aus ihrem Dutt gezerrt hatte. Jetzt nur die Nerven behalten. Zwar glichen sich die mobilen Wagen auf dieser Wiese wie ein Ei dem anderen, doch in einem von ihnen gab es eine Frau, die dringend Hilfe benötigte, und es war an ihr sie zu finden. Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich. Was unterschied einen der Campinganhänger von allen anderen?
»Der dort muss es sein«, rief sie mit einem Mal aus und packte Nick am Ärmel. »Der mit dem schiefen Vorzelt, siehst du ihn. Es sieht fast so aus, als hätte jemand, der aus dem Wagen getaumelt kam, an der Aluminiumstange Halt gesucht und sie dabei verbogen.«
»Gut nachgedacht. Bleib du hier bei dem Verletzten, ich sehe mir das mal aus der Nähe an«, entgegnete ihr Kollege und lief los, bevor sie gegen seine eigenmächtige Entscheidung protestieren konnte. Eigentlich oblag es Annika, Anweisungen zu erteilen. Aber sie und Straten waren schon so lange ein eingespieltes Team, dass sie es ihm nicht wirklich übel nahm.
»Die Kopfverletzung sieht ja schlimm aus.« Sogar Adrian Heuer hatte mitbekommen, dass sich die Welt nicht länger um ihn und den Verlust seines Fahrrads drehte. Er war unbemerkt nähergekommen, um den zitternden Mann auf dem Fußweg in Augenschein zu nehmen. »Soll ich meinen Verbandskasten aus dem Auto holen?«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Annika ihm zu und griff nach ihrem Funkgerät. »Ich rufe inzwischen schon mal Verstärkung herbei. Ich fürchte, wir werden sie brauchen.«
Während Herr Heuer davoneilte, um seinerseits etwas Sinnvolles zum Geschehen beizutragen, suchte Annika den Kontakt zu ihrem Kollegen Gert Waller, wobei sich nicht mit langen Vorreden aufhielt. »Wir brauchen hier einen Krankenwagen, eventuell auch zwei.«
Gleichzeitig beobachtete sie, wie Nick Straten das grellorangefarbene Vorzelt durchquerte, den Campingwagen betrat und endgültig aus ihrem Sichtfeld verschwand. Doch nur wenig später war er wieder da, trat ins Freie und winkte ihr zu. An der Art, wie er sich bewegte und sich bemühte, nichts unnötig zu berühren, erkannte Annika sofort, dass ihr Kollege unvermittelt in einen mutmaßlichen Tatort gestolpert war.
»Ich schätze, der zweite Krankenwagen braucht sich nicht mehr zu beeilen. Schick uns lieber Doktor Behrens her. Ich fürchte, ihre Expertise ist gefragt.«
»Was denn?«, polterte es über das Funkgerät an Annikas Ohr. Waller klang schockiert. »Ihr habt dort Tote und Verletzte? Soll das heißen, ihr habt die Sache total vermasselt?«
»Details kann ich dir jetzt noch nicht nennen, ich habe selbst keine«, erwiderte Annika. »Ich melde mich gleich noch mal bei dir.«
Inzwischen nahte Adrian Heuer mit einem roten Verbandskasten und machte sich sofort daran, den Verletzten zu versorgen. Annika beobachtete kurz seine halbwegs professionelle Vorgehensweise und entschied, dass sie es wagen konnte, zu ihrem Kollegen zu laufen. Nicklas Straten stand noch immer neben dem eingeknickten Vorzelt und wartete auf sie.
Kaum dass sie ihn erreicht hatte, bestätigte er ihr mit einem einzigen Satz, was sie bereits geahnt hatte. »Die Frau ist tot, gar kein Zweifel möglich. Und ich denke, wir können schon jetzt von Mord sprechen. Unfälle sehen erfahrungsgemäß anders aus.«
Annika, die noch immer ihr Funkgerät umklammerte, sog scharf die Luft ein, bevor sie ihrem Kollegen durch das mit Gartenmöbeln aus Plastik überfrachtete Vorzelt in den Campinganhänger folgte. Schon auf den Stufen des Wohnwagens stieg ihr ein intensiver Geruch in die Nase, der an den Duft von Pfirsichen erinnerte. Im Innern fiel ihr Blick auf den lang auf dem Bett ausgestreckten Körper einer Frau von etwa vierzig Jahren, der zu ihrer Rechten zwischen zerwühlten Laken auf dem Bett lag. Langes rostrotes Haar lag ausgebreitet über einem der Kissen. Die dunklen Augen blickten ins Leere.
»Was meinst du«, wollte ihr Kollege wissen. »Das sieht doch wie Mord aus, oder? Da ist kein amouröses Spiel aus dem Ruder gelaufen.«
Annika stieg über ein feuchtes Handtuch hinweg, das am Boden lag, und stand nun direkt an der Bettkante.
»Du meinst, weil die Tote nur ein Negligé trägt?« Sie betrachtete den zartrosa Stoff, doch ihr Blick blieb unweigerlich an dem Stoffgürtel hängen, der um den Hals der Toten lag und stramm zugezogen worden war. Das Gesicht des Opfers glänzte unnatürlich stark, was, wie Annika nun feststellte, die Ursache für den fruchtigen Geruch im Wohnwagen war: eine stark fettende Hautcreme.
»Mir kommt das auch nicht wie ein Unfall beim Liebesspiel vor«, stellte sie fest. »Das Opfer hat pfundweise Creme auf dem Gesicht, und siehst du die beiden rohen Gurkenscheiben dort auf dem Kissen? Für mich wirkt es eher so, als hätte sie sich einen Wellness-Tag gegönnt. Und dann geschah etwas, das absolut nicht zu diesem eigentlich recht friedlichen Bild passen will.«
»Ein Wellness-Tag?« Stratens Blick richtete sich auf die welken Überreste der Gurke, die vermutlich einmal auf den Augen gelegen hatten. »Ja, damit könntest du recht haben.«
»Ich habe recht«, sagte Annika mit Nachdruck. »Erotische Würgepraktiken mit dem Gürtel eines Burberry-Mantels halte ich für erheblich unwahrscheinlicher. Der ist doch viel zu teuer.«
»Wie bitte?« Straten klang ratlos.
»Ist dir denn nicht das typische Karomuster auf der Innenseite dieses beigen Stoffgürtels aufgefallen?« Annika deutete auf das Mordwerkzeug. »Es wird üblicherweise von der britischen Modemarke Burberry für die Innenfutter verwendet. Der zu diesem Gürtel gehörende Mantel dürfte recht teuer gewesen sein und ist also nichts, womit man auf welche Art auch immer herumspielt. Eine eher ungewöhnliche Tatwaffe.«
Straten atmete hörbar aus, senkte den Blick und meinte: »Dann starb sie wenigstens mit Stil.«
»So könnte man sagen«, bestätigte Annika. »Trotzdem ist es alles andere als ein natürlicher Tod. Ich hole wohl besser unser Equipment zur Spurensicherung aus dem Streifenwagen.«
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Klappentext:
»Helfen Sie der Frau im Wohnwagen dort! Sie braucht dringend Hilfe.« Die Kommissare Annika Broder und Niklas Straten von der Inselwache werden wegen eines Fahrraddiebstahls zum Campingplatz auf Norderney gerufen. Doch dann taucht plötzlich ein Mann zwischen den Campingwagen auf und ruft um Hilfe. Tatsächlich finden die beiden in einem Wagen eine nach Pfirsichcreme duftende tote Frau! Seltsamerweise kann sich der Finder der Leiche aber an nichts mehr erinnern, nicht einmal an den eigenen Namen. Im Laufe des nächsten Tages stellt sich langsam heraus, wer er ist und dass es scheinbar eine Verbindung zwischen ihm und der Toten gab. Aber ist er auch der Norderney-Mörder? Durch Zufall findet Annika Broder wenig später das gestohlene Fahrrad, daran entdeckt sie Spuren von der Gesichtscreme des Opfers mit dem markanten Pfirsichduft. Und als dann zwei Augenzeugen davon berichten, wer das Fahrrad ins Gebüsch geworfen hatte, nimmt der Fall eine völlig unvorhergesehene Wendung …
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