Die aufregende Leseprobe zu Marc Freund’s neuem Ostfrieslandkrimi-Hit „Langeooger Gift“ auf unserem Ostfrieslandkrimi-Blog!
„Langeooger Gift“ ist der neue spannende Ostfrieslandkrimi von Marc Freund. Ein Sanddornlikör wurde vergiftet und damit beginnt eine Mordserie, die für die Inselkommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss zum Wettlauf gegen die Zeit wird. Anbei nun eine kleine Leseprobe für alle Unentschlossenen. Viel Spaß!
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»Wenn du mir jetzt nicht genau das sagst, was ich hören will, dann werde ich dich in eine Reuse stopfen und mit dir heute Nacht noch rausfahren. Dorthin, wo uns keiner sieht oder hört. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich so etwas tue. Und glaub mir, meine Kunden sind noch nie wieder zurückgekehrt.« Er lachte kurz auf. »Ich habe ihre Souvenirs hier drinnen aufbewahrt, weißt du? Also halte dich besser nicht lange mit der Frage auf, ob ich dir Seemannsgarn erzähle oder nicht. Bei der nächsten Lüge ist es vorbei. Dann gehts raus mit dir – Moormann hin oder her. Hast du das verstanden?«
Sie wollte etwas erwidern, doch das war ihr nicht möglich, deswegen versuchte sie trotz seines festen Griffs zu nicken.
Er sah sie durchdringend an. Lange. Dann endlich ließen seine Finger von ihr ab.
Anneke vollführte instinktiv ein paar Kaubewegungen, weil sie für einen Moment fürchtete, er könne ihr den Kiefer ausgerenkt haben.
Reese griff nach der Taschenlampe und richtete den Strahl erneut direkt auf ihr Gesicht.
»Also … fangen wir noch mal von vorne an. Was weißt du über Moorm…«
Ein klatschender, nasser Laut war zu hören. Anneke wusste nicht, was es war, sie hatte noch nie zuvor etwas Vergleichbares gehört.
Reeses Körper spannte sich, als wäre er an einem Haken hochgezogen worden. Die Schultern zuckten leicht.
Seine Lippen formten noch immer das mittlere »M« von Moormann. Doch waren sie so fest aufeinandergepresst, dass kein Laut mehr über sie dringen konnte.
Die linke Hand, in der er die Taschenlampe hielt, begann zunächst leicht zu zittern, dann immer stärker. Ihr Lichtkegel geisterte über die Wände, Regale und die Decke, streifte mehrfach ihr Gesicht und verschwand dann am Boden. Die Lampe war Reese aus der Hand gefallen. Jetzt schickte sie ihren Strahl gleichmäßig über den Bretterboden.
Anneke hatte noch immer keine Ahnung, was passiert war.
Im Schuppen war nichts als Stille. Nur der Wind strich leise über das baufällige Gebäude.
Reese atmete durch die Nase. Seine Augen waren weit aufgerissen. Sein Kopf verdeckte ihr die Sicht auf alles andere.
Nichts rührte sich. Dann begann das Gesicht des Fischers rot anzulaufen, als würde er gerade eine unmenschliche Anstrengung bewältigen. Tatsächlich versuchte er, auf die Beine zu kommen. Mühsam und mit einem ächzenden Laut stemmte er sich in die Höhe. Dabei musste er sich an Annekes Stuhl abstützen und brachte ihn gefährlich ins Wanken.
Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Anneke, hinter Reese einen Schatten wahrzunehmen. Einen menschlichen Umriss. Und ein Detail, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ: Das Gelb eines Südwesters, jener eindrucksvollen Kopfbedeckung, wie sie auch heute noch einige Fischer zum Schutz gegen Regen trugen.
Im nächsten Moment verdeckte Reese ihr wieder die Sicht. Er hatte sich umgedreht und kehrte ihr jetzt den Rücken zu.
Annekes Augen weiteten sich, als sie die beiden Griffe der Schere erkannten.
Das Werkzeug steckte tief in Reeses Rücken, direkt unterhalb seines linken Schulterblatts.
Reese versuchte verzweifelt, mit beiden Händen danach zu greifen. Die linke schaffte es beinahe, doch die Fingerspitzen rutschten von dem glatten Material ab.
Anneke blickte zum Regal hinüber. Die Schere fehlte. Es gab keinen Zweifel mehr.
Sie wollte schreien, doch es war, als hätte ihre Stimme vergessen, wozu sie da war. Nichts als heisere Laute drangen aus ihrer Kehle.
Reeses Körper schwankte vor und zurück. Noch trugen seine Beine sein beachtliches Gewicht.
»DU?!«
Es war im Grunde kein Wort mehr, das der Fischer dem anderen entgegenschleuderte. Es war ein fast tierisch anmutender Laut, der so wenig besagte und dabei doch so vieles ausdrückte: Irritation, Wut, Verzweiflung, Resignation … und über allem lag, ausgebreitet wie ein großes Segeltuch, grenzenlose Überraschung.
Reese hatte inzwischen die erfolglosen Bemühungen eingestellt, das grässliche Instrument in seinem Rücken erreichen zu wollen. Mehr und mehr schien er Probleme damit zu bekommen, sich auf den Beinen zu halten.
Und schließlich passierte das Unausweichliche: Reese drehte sich wie ein Kreisel, in dem Versuch, das Gleichgewicht zu halten. Er wirbelte herum und wandte Anneke das Gesicht zu.
Seine Lippen waren rot verschmiert, Blut quoll aus seinem Mund und tropfte schwer zu Boden. Seine Augen rollten auf und ab, hefteten sich erst auf die Dielenbretter und verdrehten sich schließlich nach oben, wo sie einen unsichtbaren Punkt an der dunklen Decke suchten.
Anneke starrte den Mann an. Sie konnte erkennen, wie das Leben mit jeder Sekunde mehr aus seinem Körper wich.
Ein letzter gurgelnder Laut, ein finales Rudern mit den Armen, dann kippte der Koloss vornüber – direkt auf Anneke zu.
Sie schrie auf. Dieses Mal funktionierte ihre Stimme, doch der Laut wurde in der nächsten Sekunde erstickt.
Anneke wurde von einer furchtbaren Wucht getroffen. Der sterbende Fischer begrub sie unter sich.
Etwas knackte, von dem sie hoffte, dass es der Stuhl gewesen war, dann ging es bereits abwärts.
Sie knallte mit ihrem Steiß und dem Rücken auf die Dielenbretter. Ihre Welt versank augenblicklich in einem furchtbaren Chaos.
Reese kam auf ihr zu liegen. Es war bereits kein Leben mehr in ihm.
Sie schrie. Dumpf. Verzweifelt. Sie war unter dem toten Körper eingeklemmt, der noch warm war, noch stank nach Öl, Alkohol, Schweiß und Angst.
Die Stille kehrte zurück, da Reese nicht mehr in der Lage war, noch irgendeinen Laut von sich zu geben.
Anneke blinzelte. Das Licht der Taschenlampe reichte aus, um schemenhafte Umrisse zu erkennen.
Dann … Schritte. Ein leises Tappen. So ging jemand, dachte sie, der alle Zeit der Welt hatte.
Der gelbe Südwester. Das Gesicht, halb von Dunkelheit und Schatten verdeckt. Ein kalter Blick, der sich auf sie herabsenkte, sie kalkulierend musterte. Abwägend, berechnend.
Sie starrte zurück. Sie konnte nicht anders. Und ohnehin waren Sehen, Hören und Atmen so ziemlich die einzigen Funktionen, die sie in ihrer Lage noch ausüben konnte, die noch funktionierten. Aber vielleicht war das auch nur eine Täuschung, denn sie spürte, wie etwas Dunkles nach ihren Sinnen griff, um ihr auch noch den Rest zu nehmen.
Ihr Sichtfeld begann zu verschwimmen. Die Konturen des Mannes wurden noch undeutlicher, bis sie ganz verblassten. Es war, als hätte jemand an einer Schnur gezogen, die jegliches Licht löschte.
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Klappentext:
Vergiftet mit Sanddornlikör – wer ist der Mörder von Langeoog?
Die Inselkommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss werden in eine Frühstückspension gerufen: Dort liegt der Urlauber Günter Heise – augenscheinlich vergiftet, mit einer leeren Flasche Sanddornlikör auf dem Nachttisch. Kolbe ist besonders erschüttert, hatte er den Mann doch erst vor wenigen Stunden bei einer heftigen Auseinandersetzung mit seiner Vermieterin Bente Franzen in deren Haus erlebt.
Zudem war der Tote auch noch mit Bentes seit Jahren verschollenem Mann in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen. Bevor die Polizei-Ermittlungen richtig in Gang kommen, wird der ehemalige Fischer Jan Reese, mit dem der Tote zuletzt gesehen wurde, mit einer Gartenschere von hinten erstochen. Zwar gibt es einen Augenzeugen, doch wer verbirgt sich unter dem gelben Südwester? Ist der geheimnisvolle Moormann, der Heise auf dessen Handy kontaktiert hatte, für die Morde verantwortlich? Als die Polizei versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen, spitzt sich die Situation gefährlich zu, denn dieser verfolgt einen äußerst heimtückischen Plan …
Der Ostfrieslandkrimi »Langeooger Gift« ist bei den bekannten Anbietern erhältlich wie:
Eine Übersicht über die Reihenfolge der Bücher finden Sie hier.
Mehr über die Serie können Sie im Steckbrief erfahren.
Viel Freude beim Lesen wünscht
Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de