Leseprobe zu „Inselfrühling auf Spiekeroog“!

Die fesselnde Leseprobe zu Marlene Menzels 10. Band der Reihe „Anke Petersen und Reik Büttner ermitteln“ auf Spiekeroog!

Das Familienleben der Büttners wird auf den Kopf gestellt, als Ehefrau Merle Büttner in ihrem Spezialitätenladen die Leiche von Anton Plükker findet. In der Hand hält der Tote eine Tulpenzwiebel. Sofort gerät nicht nur die Ehefrau unter Verdacht, sondern auch die Kinder und Kommissar Reik Büttner. Das macht es für Kommissarin Anke Petersen besonders schwierig. In dieser Leseprobe bekommen wir nach dem Fund der Leiche einen Moment zwischen dem Büttner Ehepaar, dass mitfühlen läasst.

 

***

Reiks Magen zog sich unschön zusammen, als er seine Frau zusammengesunken auf dem Besucherstuhl in der kleinen Polizeistation von Spiekeroog sitzen sah.

Klaas hatte den Leichnam, an dem auch er keine Auffälligkeiten finden konnte, in einen Leichensack gesteckt und mit Reiks Hilfe in sein Elektromobil geladen. Inzwischen würde der Körper in seinem Kühlraum im Keller seines Bestattungsinstituts liegen, bis die Mitarbeiter aus Wittmund und Oldenburg anlegten und ihn in die Rechtsmedizin mitnahmen.

Das war auch der Moment für erste neugierige Blicke seitens der Touristen und Insulaner gewesen. Ab sofort wurde getuschelt, weil es einen Vorfall im ›Inselgarten‹ gegeben hatte. Um was es dabei ging, war den Leuten meist herzlich egal. Hauptsache, es ließe sich eine gute Geschichte daraus basteln.

Merles Laden war nun abgesperrt und würde erst wieder öffnen können, wenn die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hatte. Es würde aber noch ein paar Stunden dauern, bis sie eintrafen, also blieb viel Zeit für Befragungen und Recherchen.

Der Arzt hatte ihnen zumindest sagen können, dass der Tod erst kürzlich eingetreten war. Das passte zu Merles Aussage, dass der Körper noch warm gewesen war, als sie ihn berührt hatte.

Reiks Gedanken fuhren Karussell. Er würde Merle am liebsten nach Hause schicken, doch das durfte er nicht, weil sie eine wichtige Zeugin war. Aber war sie auch eine Verdächtige?

Er stellte ihnen Tassen, Kluntjepott und Sahne bereit, doch die Ostfriesenmischung musste noch ziehen, bis sie die gewünschte Stärke erreicht hatte.

»Wie geht es dir inzwischen?«, fragte er sanft und drückte liebevoll ihre Schulter.

Merle zuckte nicht zusammen, wirkte aber dennoch überrascht, als hätte er sie aus einer Trance zurück in die Realität geholt. »Danke, Reik. Mein Kopf will einfach nicht stillstehen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dieses bleiche Gesicht mit den langen Haaren und seine offen stehenden starren Augen vor mir.«

Anke rollte mit ihrem Stuhl hinüber und hatte das Aufnahmegerät bereits in der Hand. »Macht es dir etwas aus, wenn ich unser Gespräch aufzeichne?«

»Nein, mach nur, min Deern. Ihr habt sicher viele Fragen.«

Reik stellte die Atmung für einen Moment ein und beobachtete seine zwanzig Jahre jüngere Kollegin, wie sie mit geschickten Fingern das Gerät anstellte.

Es passte ihm nicht, dass ausgerechnet Merle hier saß und befragt wurde wie eine Verbrecherin. Was sie im ›Inselgarten‹ von sich gegeben hatte, gefiel ihm allerdings noch viel weniger. Hatte Merle das als eine Reaktion auf den Schock gesagt, oder meinte sie es ernst, dass sie den Toten nicht nur gekannt, sondern auch gehasst hatte? Merle war zu so etwas wie Hass doch gar nicht in der Lage – oder?

Reik setzte sich auf die andere Seite und nahm die Hand seiner besseren Hälfte in seine, um ihr noch einmal Kraft zu geben. Er hatte das Gefühl, dass es ihr half, wenn er in ihrer Nähe war.

»Bitte nenne uns einmal deinen Namen, den Ort und die Uhrzeit.«

Merle tat, was Anke wollte. Sie hielt sich wacker, aber ihre Stimme bebte noch immer leicht.

»Könntest du uns bitte noch einmal den Ablauf des heutigen Tages, ruhig komplett und ganz von vorn, aufzählen? Was hast du als Allererstes gemacht, und wie verlief dein Tag?«

Merle berichtete von ihrem Morgen, der so wie jeder andere gewesen war. Das Geschäft hatte gebrummt, da sich mittlerweile schon etliche Touristen auf Spiekeroog aufhielten. Sie hatte Yara bei Reik gelassen und sich auf viele neue Gesichter gefreut.

»Gab es an diesem Tag schon einmal einen Besuch von Anton Plükker?«

»Nein.«

Merles Antwort war so schnell gekommen, dass Reik stutzte. »Bist du dir sicher? Dein Geschäft ist manchmal so voll, dass du nicht alle im Auge hast.«

»Es könnte sein, weil ich nicht jeden beobachte, der ein- und ausgeht. Aber dieser Plükker hätte sich mir gezeigt. Ganz sicher.« Merles helle Brauen schoben sich wütend zusammen. »Er hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, zu sticheln oder um meinen Laden zu buhlen.«

»Womit wir zum wichtigsten Punkt unserer Unterhaltung kommen«, machte Anke weiter und spielte nervös mit ihrem Kugelschreiber.

Sie fuhr sich mehrmals durch das lange braune Haar, und ihre grünen Augen wichen Merles aus. Es schien ihr genauso unangenehm zu sein, seine Frau zu verhören. Die beiden waren immerhin enge Freundinnen, seit Anke aus Hamburg auf die Insel gezogen war.

»Ihr wollt wissen, was ich damit meinte, ihn zu hassen?«

Anke nickte. »Das wollen wir, ja. So etwas sagt man nicht ohne Grund, erst recht kein friedliebender Mensch wie du, Merle.«

»Eine wirklich unglückliche Formulierung, das gebe ich zu, aber dieser Mann hat sie verdient.«

Reik erkannte seine Frau kaum wieder. Sie wirkte zerfressen und zornig. Was war auf einmal in Merle gefahren?

»Warum? Woher kanntest du ihn, und was hat er dir angetan?«, fragte die Polizistin weiter.

Merle legte ihre Hände in den Schoß und senkte den Blick. »Vor ein paar Monaten kam er das erste Mal auf mich zu. Hat sich als Anton Plükker vorgestellt und mich über den Laden und meine Finanzen ausgefragt. Erst dachte ich, er wäre nur ein lästiger Vertreter oder jemand von der Bank, der dir Kredite andrehen will, aber in Wahrheit war er ein Geschäftsmann aus Groningen, der es auf mein Hab und Gut abgesehen hatte.«

»Und welchen Geschäften ging er nach?«

»Irgendeine Vereinsarbeit, glaube ich. Jedenfalls hat er selbst nur sehr wenig von sich preisgegeben. Das war vielleicht Taktik. Er wollte mir das ›Inselgarten‹ für eine Unsumme abkaufen, um ein Vereinshaus daraus zu machen. Ich habe dann schon nicht mehr zugehört, weil das für mich nicht infrage kam.« Ihre Augen suchten die von Reik. »Für kein Geld der Welt hätte ich diesen Laden verkauft.«

»Aber ein Verein finanziert sich doch hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Sponsoring«, wunderte sich Reik. »Hatte er noch einen anderen Beruf? Ich frage mich, wieso er so dringend dein Geschäft kaufen wollte. Woher hatte er überhaupt so viel Geld? War das etwa die Summe der Spendeneinnahmen?«

»Das weiß ich nicht. Mir hat er sich nur als Anton Plükker vom Verein soundso vorgestellt. Er hat gar keine Ruhe gegeben, sondern wollte unbedingt das ›Inselgarten‹ haben. Seine Angebote wurden erst immer größer, später dann immer unverschämter und letztendlich, als ich wieder Nein sagte, hat er mir sogar gedroht.« Merle entließ hörbar die Luft, die noch in ihrer Lunge war. Sie wirkte erleichtert, dass es endlich ausgesprochen wurde.

Erst jetzt griff sie zur Tasse, warf ein Kluntje hinein und ließ sich von ihrem Mann Tee eingießen. Daraufhin folgte noch ein Schlückchen Sahne, die weiße Linien in den dunklen Tee zeichnete. Sie wartete, bis die sogenannte Wulkje aufstieg, ehe sie den Tee trank.

So lange schwiegen auch Anke und Reik. Die Aufnahme lief derweil weiter. Man hörte Merle schlucken und sich räuspern.

»Dieser Mann … Plükker. Was ist mit ihm? Und wie hat er dir gedroht, Merle?«

Reik war froh, dass Anke die Fragen hauptsächlich stellte, weil sein Hals mittlerweile eng geworden war.

Seine Frau sah ihn nun nicht mehr an, sondern nur zu seiner Kollegin. »Er kam ständig zurück, war andauernd auf der Insel, nur um mich kleinzukriegen, aber ich habe ihm jedes Mal ein Nein vor den Latz geknallt.« Stolz reckte sie ihr Kinn. Ihre blauen Augen blitzten. »Der dachte wohl, dass er mich nicht ernst nehmen muss, weil ich eine Frau bin und alles andere als gefährlich aussehe. Als er dann gemerkt hat, dass ich nicht nachgebe, wurde er unverschämt.«

»Wann war das letzte Mal, dass du ihn lebend gesehen hast?«

»Vorige Woche. Danach erst wieder, als er … Ihr wisst schon …« Sie presste die Lippen fest aufeinander.

»Als er tot in deinem Laden saß«, half Anke aus und machte sich Notizen, obwohl das Band mitlief. Sicher war sicher.

»Genau. Ich habe ihn seit Tagen nicht gesprochen und keine Ahnung, was er schon wieder bei mir gesucht hat. Geredet haben wir jedenfalls nicht mehr.«

»Du hast von einer Drohung gesprochen, bis jetzt aber nur von nervigen Nachfragen erzählt. Und sei mir nicht böse, Merle, aber dafür hasst man jemanden noch nicht.« Anke kitzelte mal wieder alles aus ihrem Gegenüber heraus. »Was hat er dir wirklich gesagt, als er das letzte Mal hier war?«

Merle sah kurz zu Reik und dann schnell wieder weg, als würde sie sich schämen, dabei hatte sie selbst doch überhaupt nichts falsch gemacht. Oder hatte sie etwas angestellt, von dem er nicht wusste? Reik bekam es langsam mit der Angst zu tun und fragte sich, ob er seine Frau wirklich so gut kannte, wie er glaubte.

»Bei seinem letzten Besuch vor einer Woche hat er damit gedroht, mir mein Leben schwer zu machen, wenn ich ihm das ›Inselgarten‹ nicht überlasse. Er hat auf den Tresen geschlagen und gesagt …« wieder unterbrach sie sich und blickte kurz verunsichert zu Reik.

»Sag es ruhig, du bist hier unter Freunden. Wir sind auf deiner Seite.« Zumindest hoffte Reik, dass auch Anke für sie einstand, wenn es hart auf hart kam. Er wusste ja selbst, wie es bis jetzt für Merle aussah.

Sie atmete tief ein und schloss die Augen. Ihre Hände packten die Teetasse so kräftig, dass Reik Angst hatte, sie würde sie zerdrücken. »Plükker hat gemeint, dass er genug Einfluss hat, um dich feuern zu lassen. Er kannte angeblich jemanden aus dem Kommissariat in Wittmund. Ein ranghohes Tier.«

»Das war ziemlich sicher ein Bluff. Er wollte dich nur unter Druck setzen und ist deshalb über die persönliche Ebene gegangen, um dich zu treffen«, meinte Anke ruhig. »Mach dir keinen Vorwurf, dass du Angst bekommen hast.«

»Angst? Ich habe ihn achtkantig rausgeworfen!«, erzählte sie stolz. »Erst drohte er meinem Mann, danach unseren Kindern.«

»Was?«, polterte der Ermittler.

Merle nickte eifrig und leckte sich aufgeregt über die Lippen. »Er wollte Fenja und Lasse das Studium verderben. Angeblich hatte er auch da seine Finger im Spiel. Er wusste, auf welche Universitäten sie gehen, wie alt sie sind und wo sie aktuell wohnen. Ich war mir nicht sicher, ob er nur etwas vortäuschte oder das ernst gemeint hat.«

»Dieses Schwein«, grollte Reik. Ihm war egal, ob es auf der Aufnahme zu hören war. So sauer war er lang nicht gewesen. Wenn dieser Plükker noch leben würde … Aber das tat er nicht. Er war mausetot und lag bei Klaas im Kühlraum. »Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?« Reik ballte die Fäuste. »Ich hätte dir helfen können.«

»Auch du kannst nichts gegen einen Mann wie den unternehmen. Solche Leute winden sich immer wieder heraus und machen, was sie wollen.«

»Aber ich hätte dir doch trotzdem geholfen oder wenigstens beigestanden. Ich hätte zum Beispiel seine Vergangenheit durchleuchten und dir die Angst nehmen können, wenn sich herausstellt, dass die Drohung nichts als heiße Luft ist. Wir sind ein Team, Merle.«

»Das sind wir, und deshalb wollte ich dich nicht mit diesem Unsinn belasten. Du hast genug Sorgen in deinem Beruf, da solltest du privat nicht auch noch welche haben.«

»Hach, Merle, du darfst mich mit allem belasten, das weißt du doch.« Er seufzte traurig. »Ich hätte ihn mir zur Brust genommen. Immerhin bin ich das Gesetz auf dieser Insel.«

Merle legte ihre Hand liebevoll an Reiks bärtige Wange. »Ich kenne dich besser als mich selbst, min Leev. Du kannst keiner Fliege was zuleide tun.«

»Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war. Du musstest diesen Widerling ganz allein ertragen. Ich bin stolz auf dich, dass du standhaft geblieben bist.«

 

 

Klappentext:

Frühling auf Spiekeroog – aber dann sorgt ein Tulpenzwiebelmord für Aufregung! In dem verschlossenen ›Inselgarten‹, einem Geschäft für ostfriesische Spezialitäten, findet die Besitzerin Merle Büttner die zusammengesunkene Leiche eines Mannes – mit einer Tulpenzwiebel in der Hand. Der Tote ist Anton Plükker, der ihr Grundstück auf der sonst so beschaulichen Nordseeinsel unter allen Umständen erwerben wollte und dafür auch vor einer Drohung nicht zurückschreckte. Kommissarin Anke Petersen steckt bei ihren Ermittlungen in der Zwickmühle. Unter Mordverdacht steht nicht nur Merle, sondern auch ihr Ehemann – ausgerechnet Kommissar Reik Büttner – und deren Kinder! Denn der Tote bedrohte die ganze Familie, um sein Ziel zu erreichen. Aber auch Antons Vereinskollegen und seine baldige Ex-Frau benehmen sich sonderbar. Ist Frieda Plükker ihrem Mann nachgefahren, um ihn umzubringen? Zunächst bleibt der ganze Fall rätselhaft, doch ein verräterischer Fund an Plükkers Kleidung bringt die Inselpolizisten auf die entscheidende Spur …

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Viel Freude beim Lesen wünscht

Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de