Leseprobe zu „Norderneyer Pensionsmord“!

Die spannende Leseprobe zum Ostfrieslandkrimi „Norderneyer Pensionsmord“ behandelt das Begehen des Tatorts der beiden Ermittler.

 

In der Norderneyer Pension Haddinga passiert ein Mord hinter verschlossener Tür. Privatdetektiv Wieland von Bröking kennt das Opfer angeblich, jedoch scheint die Identität nicht ganz zu stimmen. Zusammen mit Hauptkommissar Manno Lewert stehen beide vor einem kompliziertem Rätsel. In dieser Leseprobe wird der Tatort von beiden inspiziert und herausgefunden, dass der Tote nicht die Person ist, die er vorgab zu sein.

***

Alles hier oben war relativ eng, und für die Verhältnisse waren zu viele Menschen hier. Der sehr großgewachsene Tjark Drönkemeier, der immer in der Gefahr stand, dass sein von rotstichigem Haar bedecktes Haupt gegen einen der Dachbalken stieß, Wieland von Bröking und seine Assistentin Jarmila Mustafi. Bei Letzterer bestand die Gefahr, dass sie gegen die Decke stieß selbst unter diesen abgeschrägten Verhältnissen eines Dachgeschosses nicht.

Sie war vermutlich die Einzige der Anwesenden, die rein größenmäßig für diesen Bereich des Hauses anatomisch geschaffen war. »Moin, allerseits«, sagte Lewert. »Es freut mich zu sehen, dass hier schon alle fleißig bei der Arbeit sind.« Und dann sah er auf das Bett.

Dort lag jemand, der sich offenbar schlafen gelegt hatte und nun mit einem Loch im Kopf dalag. Er hatte einen Schuss abbekommen. Man musste nicht unbedingt ein Gerichtsmediziner sein, um das auf den ersten Blick sehen zu können.

Kommissar Lewert war lange genug im Beruf, um das beurteilen zu können. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er so etwas sah. Ein etwas asynchroner Chor von »Moin!« antwortete ihm.

Die Stimmung schien etwas angespannt zu sein. Lewert war sich noch nicht sicher, woran das lag. Die Situation an sich hatte natürlich schon eine gewisse beklemmende Wirkung.

Lewert blickte zum Fenster der Dachgaube, durch das offenbar geschossen worden war. Das Glas war nicht gesplittert. An der Stelle, wo die Kugel durchgedrungen war, breiteten sich spinnenartige Risse aus.

Selbst wenn man den Schuss vielleicht nicht gehört hatte, so musste das Auftreffen auf die Glasoberfläche einen Knall verursacht haben. Die Frage war, ob etwaige Zeugen auch den richtigen Schluss daraus gezogen hatten.

»Ich darf vielleicht mal kurz zusammenfassen«, sagte Tjark Drönkemeier.

»Ich bitte darum«, gab Lewert zurück.

»Der Mann im Bett ist Herr Hagen Rahmspott.«

»Das ist nicht Herr Hagen Rahmspott«, unterbrach von Bröking sofort. »Er ist es nicht, ganz bestimmt nicht.«

Drönkemeier verdrehte die Augen. »In seinem Pass steht es aber. Und solange wir nichts anderes wissen, ist er für mich Herr Rahmspott.«

»Ich kenne Hagen Rahmspott, das ist er nicht«, bekräftigte von Bröking. »Und glauben Sie mir, mit Gesichtern kenne ich mich aus. Er mag ihm ähnlich sehen, aber nicht ähnlich genug.«

»Vielleicht darf ich erst mal fortfahren«, meinte Tjark Drönkemeier. »Dann können Sie Ihre Besserwisserei immer noch zum Besten bringen, Herr von Bröking. Also, wie man sehr schön sehen kann, kam der Schuss durchs Fenster. Ich nehme mal an, dass von einem erhöhten Punkt aus geschossen wurde. Und die Kugel hat Herrn Rahmspott …«

»Ich wiederhole mich ungern«, sagte von Bröking, »aber ich muss es leider tun …«

»… oder wie immer er auch heißen mag, zielsicher in den Kopf getroffen. Wann das Ganze stattgefunden hat, darüber gehen die Meinungen etwas auseinander«, fuhr Drönkemeier fort.

»Es muss einen Knall gegeben haben«, sagte Kommissar Lewert.

»Ja, sagen wir mal so, einige Gäste und auch der Herr Haddinga meinen, dass es gestern Abend ein Geräusch gegeben hat, das nicht richtig zugeordnet werden konnte. Genauer gesagt ein knallartiges Geräusch, dem aber keine weitere Beachtung geschenkt wurde, weil es sich nicht wiederholte.«

»Ich verstehe«, sagte Lewert.

»Sie verstehen das«, sagte von Bröking, »dass die Menschen so ignorant sind, dass sie alles missachten, was sich nicht wiederholt. Ich kann das nicht nachvollziehen, aber dazu kann ja jeder seine eigene Meinung haben.«

»Herr von Bröking, nun lassen Sie den Herrn Drönkemeier doch mal ausreden«, wandte sich jetzt Jarmila an ihren Arbeitgeber. »Sie können ja dann immer noch sagen, was Sie zu sagen haben.« Wieland von Bröking verdrehte die Augen, wie er das häufig tat, wenn er der Meinung war, minderbemittelte Geister bei der Arbeit zusehen zu müssen. Das, so wusste Lewert inzwischen sehr gut, bedeutete für den genialen Mann offenbar eine große Qual, eine Qual allerdings, die man ihm nicht immer ersparen konnte, denn die meisten Menschen, und da schloss Kommissar Lewert sich selbst durchaus mit ein, waren nun mal nicht so genial und brauchten etwas länger, bis sie einen vernünftigen Gedanken gefasst hatten oder auf die Lösung eines Problems kamen.

»Wann wurde Herr Rahmspott, nennen wir ihn mal provisorisch so, bis wir was Besseres haben, Herr von Bröking, zuletzt gesehen?«, fragte Kommissar Lewert. »Hast du da irgendeine Aussage, Tjark?«

»Ja, Herr Haddinga hat mir gesagt, er hätte ihn gestern Abend zuletzt gesehen, als er aufs Zimmer ging. Vorher hat er noch im Speiseraum zu Abend gegessen. Und ein paar andere Gäste hätten ihn auch gesehen, die können wir natürlich noch befragen. Danach hat ihn niemand mehr bemerkt.«

»Gut. Dann haben wir schon mal ungefähr den Todeszeitpunkt. Das muss wahrscheinlich dann gewesen sein, als dieses Geräusch sich ereignet hat. Da müssen wir noch durch Befragung genauer feststellen, wann das exakt gewesen ist. Vielleicht gelingt uns das ja.«

»Die Gerichtsmedizin habe ich übrigens schon angerufen«, sagte Drönkemeier. »Die Außenstelle des Landeskriminalamtes Oldenburg schickt einen Wagen. Dr. Heinz kommt auch persönlich vorbei. Das ist mir telefonisch zugesagt worden. Aber die schaffen das nicht mehr heute.«

»Na gut, wenn sie sich dann beeilen und es morgen etwas wird, dann sind wir damit ja auch zufrieden«, meinte Lewert.

»Ja, so ist die Beamtenseele«, sagte daraufhin Wieland von Bröking. »Nur nicht zu sehr beeilen. Man könnte sich ja überarbeiten im Sessel.«

Lewert runzelte die Stirn und wandte sich von Bröking zu. »Ich dachte, Sie sind derjenige, der im Sessel arbeitet, Herr von Bröking. Jedenfalls, meiner Erinnerung nach, standen da ein paar in ihrem Wohnarbeitszimmer. Und die waren sehr bequem. Ich habe ja in einem gesessen. So richtig zum Einschlafen, würde ich sagen. Oder um eine Tasse Tee zu trinken.«

»Nichts für ungut, aber ein paar zusätzliche forensische Erkenntnisse und ein gerichtsmedizinisches Beiwerk wären in diesem Fall wirklich nicht schlecht. Denn wir haben es hier nicht mit einem gewöhnlichen Mord zu tun. Das steht schon mal fest«, sagte von Bröking.

Und er schien von dieser Ansicht sehr überzeugt zu sein. Lewert kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass man fachlich gesehen seine Meinung am besten ernst nehmen musste. Er selber jedenfalls konnte für sich in Anspruch nehmen, dies immer getan zu haben.

Und was die gelegentlichen spitzen Bemerkungen von Bröking anging, so hatte sich Lewert angewöhnt, sie entweder zu überhören oder dem genialen Privatermittler einfach ordentlich Kontra zu geben. Manchmal, insbesondere dann, wenn er eine gute Tasse Tee getrunken hatte, und das war heute ja der Fall, dann genoss er so ein Wortgefecht mit von Bröking sogar regelrecht. In diesem Punkt unterschied er sich von seinem Kollegen Drönkemeier, der eher genervt davon war.

Jarmila wiederum schien besorgt darüber zu sein, ob es gelingen konnte, den sozialen Frieden innerhalb der Gruppe zumindest einigermaßen aufrechtzuerhalten. Lewert hatte in dieser Hinsicht keine Bedenken.

»Mehr habe ich im Moment noch nicht«, sagte nun Drönkemeier. »Ach ja, den Herrn Uhlenkotte habe ich angerufen. Irgendwo muss die Leiche bis morgen gelagert werden. Der kommt, das kann aber ein bisschen dauern, denn er hat im Moment zu tun. Also professionell gesehen.«

Herr Uhlenkotte war der örtliche Bestatter auf Norderney. Und selbstverständlich starben ab und zu auch mal Menschen unter ganz normalen, natürlichen Umständen. Aber wenn die Rechtsmedizin aus Oldenburg im Fall eines Mordes nicht unmittelbar die Leiche abholen konnte, was aufgrund der Gegebenheiten auf einer Nordseeinsel schon mal vorkam, dann wurde der Tote in der Zwischenzeit in der Leichenhalle von Herrn Uhlenkotte zwischengelagert.

Kommissar Lewert machte ein nachdenkliches Gesicht. Seine Augen wurden schmal, und er sah sich noch einmal ganz genau den Tatort und die Umstände an. Der Pass, der Führerschein und ein Schlüsselbund lagen auf dem Nachttisch.

Kommissar Lewert nahm an, dass Drönkemeier diese Gegenstände dorthin gelegt hatte. Anders wäre nicht erklärbar gewesen, dass der Pass aufgeschlagen war. Personalausweis und Führerschein waren ebenfalls so platziert, dass man das Lichtbild sehr gut sehen konnte.

Kommissar Lewert nahm die Dokumente in Augenschein und schaute noch einmal zu dem Toten. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, meinte er dann und wandte sich an Wieland von Bröking. »Sie sagen, der Tote sei nicht der, für den wir ihn momentan halten sollten.«

»Das ist vollkommen korrekt, Herr Lewert. Aber wenn ich diese Bilder hier so sehe, dann gibt es eine große Übereinstimmung mit dem Toten. Um nicht zu sagen, ein perfekter Treffer.«

»Ja, das würde ich auch sagen, der Mann in den Dokumenten ist ohne Zweifel der Mann im Bett.«

»Aber der Mann im Bett mit der Kugel im Kopf ist nicht Hagen Rahmspott.«

»Das müssen Sie mir vielleicht mal etwas genauer erklären, Herr von Bröking. Da komme ich jetzt im Moment ehrlich gesagt nicht mit.«

»Nun, das wäre ja nicht das erste Mal«, sagte von Bröking etwas süffisant. »Also die Sache ist, Hagen Rahmspott ist ein Klassenkamerad von mir. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und waren das, was man so im Allgemeinen als befreundet bezeichnet. In Wirklichkeit war unsere Beziehung von etwas anderer Art, aber das tut hier gar nichts zur Sache.« »Vielleicht doch, Herr von Bröking.«

»Wer hätte gedacht, dass Herr von Bröking auch Freunde hat«, spottete Tjark Drönkemeier. »Das gibt dem Fall eine völlig neue Wende.«

»Machen Sie sich nur lustig, Herr Drönkemeier. Einfältige Polizisten sind der Hauptgrund dafür, dass Morde ungesühnt bleiben, dass Verbrechen gar nicht erst entdeckt werden. Und, dass schwerste Taten unter den Teppich gekehrt werden. Ich würde sagen, erst an zweiter Stelle stehen Ärzte, die grundsätzlich jeden Todesfall als Herzversagen ansehen, selbst wenn das Messer noch im Rücken steckt. Aber nur so viel dazu. Hagen Rahmspott ist, wie gesagt, mit mir zur Schule gegangen. Ich habe ihn gestern wieder getroffen. Und zwar hier im Strandcafé auf Norderney. Das war zufällig. Ich habe dort meinen Kaffee getrunken und da war ein älterer Herr, der unzweifelhaft Hagen Rahmspott war.«

»Ein älterer Herr?«, runzelte Kommissar Lewert jetzt die Stirn.

»Ja, das hat mich auch gewundert, denn eigentlich sind Klassenkameraden immer so ungefähr im selben Alter. Von dummen Sitzenbleibern und ehrgeizigen Überfliegern mal abgesehen. Aber dieser Mann wirkte auf den ersten Blick so, als wäre er mein Opa. Aber er war Hagen Rahmspott. Ich habe ihn erkannt. Ich habe einen Blick für Gesichter. Da kann mir niemand was vormachen. Das wissen Sie doch, davon lebe ich ja.«

»Haben Sie ihn angesprochen?«

»Ja, natürlich habe ich ihn angesprochen, aber er hat gesagt, es müsste sich um einen Irrtum handeln. Und dann hat er die Bedienung gerufen und es gab ein kleines zwischenmenschliches Drama.«

»So was passiert immer, wenn ich gerade Urlaub habe und nicht dabei bin«, sagte Jarmila Mustafi. »Ich kann ja nicht vierundzwanzig Stunden auf ihn aufpassen.«

»Jedenfalls habe ich mich gewundert, warum mein alter Klassenkamerad Hagen Rahmspott plötzlich so tut, als würde er mich nicht kennen. Obwohl …«

»Obwohl was?«, fragte Kommissar Lewert.

»Ich weiß nicht, ob Ihnen der Begriff Recognition Reflex bekannt ist.«

»Ja, das ist eine Bezeichnung aus der Psychologie«, sagte Lewert.

»Immerhin, hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie das wissen. Das sind Reflexe, die man nicht fälschen kann. Die allererste Reaktion, verstehen Sie, da verrät man sich oft. Wenn man die Gesichtsmimik und die Körpersprache noch nicht unter Kontrolle hat. Oder wenn man etwas wiedererkennt. Bei Kleinkindern ist das sehr gut zu beobachten, dieser Recognition Reflex. Und dieser alte Mann war nun wirklich kein Kleinkind mehr und gab sich ja doch alle Mühe, dass man denkt, dass er schon uralt sei. Aber ich bin mir sicher, dass er mich erkannt hat. Ganz sicher.«

»Gut«, sagte Lewert, der irgendwie noch nicht so richtig wusste, was er nun eigentlich von der ganzen Sache halten sollte.

Der Kommissar deutete auf den Schlüsselbund auf dem Nachttisch. Dieser hatte einen BMW-Anhänger.

»Ich nehme mal an, dass irgendwo hier in der Gegend ein BMW herumsteht. Den sollten wir uns unbedingt ansehen.« Er hatte inzwischen Latex-Handschuhe angezogen, die er in seiner Jackentasche dabei hatte, und sah sich dann nacheinander sehr genau den Personalausweis, den Führerschein und den Reisepass an.

»Es sind ein paar exotische Länder, in die der Herr Rahmspott gereist ist, wenn man nach seinem Reisepass geht«, sagte er. »Herr von Bröking, was wissen Sie über Ihren ehemaligen Klassenkameraden? Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie ihn gestern, um …«

»Genau 15 Uhr war das«, sagte von Bröking. »Da war er noch sehr lebendig und etwas älter, als er jetzt aussieht.«

»Eigenartig.«

»Ja, in der Tat, das ist eigenartig. Aber wie gesagt, ich bin mir vollkommen sicher, dieser Mann ist nicht Hagen Rahmspott. Die Daten im Personalausweis stimmen, sein Geburtsdatum und so weiter. Da ist nichts dran zu rütteln. Und das Foto stimmt mit dem Mann im Bett überein. Aber, glauben Sie mir, die Dinge sind hier nicht so, wie sie scheinen.«

 

 

Klappentext:

 

Ein Ermordeter in einem verschlossenen Raum – wie ist das möglich? Hauptkommissar Manno Lewert wird zu einem mysteriösen Mordfall auf die Insel Norderney gerufen. In der Pension Haddinga wird im Dachzimmer die Leiche eines Mannes gefunden – getötet durch das einzige Fenster des Raums. Als dann der Privatdetektiv Wieland von Bröking hinzugezogen wird, erlebt die Polizei eine Überraschung: Laut vorliegendem Ausweis handelt es sich bei dem Toten um Hagen Rahmspott. Aber von Bröking behauptet steif und fest, dass dieser Mann nicht derjenige ist, mit dem er jahrelang zur Schule gegangen war, wenn auch eine große Ähnlichkeit vorhanden ist. Und die Aussage eines Spezialisten für Gesichtserkennung kann die Polizei nicht einfach ignorieren. Zudem glaubt von Bröking, seinen ehemaligen Mitschüler erst vor Kurzem auf der Nordseeinsel gesehen zu haben – allerdings als alter Mann verkleidet!

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Eine Übersicht über die Reihenfolge der Bücher finden Sie hier.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen!

Das Team von www.ostfrieslandkrimi.de